Wir feiern das 120. Jubiläum

 05.02.23
Am 15. Februar feiert der Verein der Wichern Diakonie Frankfurt (Oder) sein 120jähriges Jubiläum. Der Weg bis zu diesem Jubiläum war von vielen Umbrüchen und Neuanfängen gekennzeichnet, wie ein Blick in die abwechslungsreiche Geschichte zeigt.

Eine allgemeine Aufbruchsstimmung, um den Wechsel zum 20. Jahrhundert, förderte den Ausbau des Sozialstaates im kaiserlichen Deutschland. Pastor Alfred Blochwitz nutzte dies, um mit der „Frauenhilfe des evangelisch-kirchlichen Hilfsvereins“ ein Fürsorgeheim für Mädchen zu gründen. Betreut wurden fortan Mädchen, die aus verschiedenen Gründen an den Rand der Gesellschaft gerieten, in der Luisenstraße in einer ehemaligen Patronentaschenfabrik. In ihren täglichen  Arbeitszeiten wurden sie zur Näherin, Plätterin oder Köchin ausgebildet, lernten im Fortbildungsunterricht und nahmen an Andachten und Gottesdiensten teil. Mit dem Erwerb des Landgutes Gronenfelde 1911 erweiterte sich das Spektrum der Ausbildung hin zur Landwirtschaft. Schon 10 Jahre nach der Gründung konnten bis zu 150 Mädchen im Alter zwischen 14 und 21 Jahren aufgenommen werden.
Der Erste Weltkrieg und auch die Novemberrevolution hinterließen ihre ersten Spuren im Fürsorgeheim. Es gab Plünderungen, die Lage beruhigte sich nur langsam. Ab 1933 geriet der Wohlfahrtsstaat in eine schwere Krise. Ein schlimmer Höhepunkt dieser Zeit waren die Zwangssterilisationen, die auch Mädchen des Fürsor-geheims betrafen. Alfred Blochwitz ging, oftmals mit Erfolg, bis an oberste Behörden, um die Mädchen vor der Sterilisation zu bewahren.
Während des Zweiten Weltkrieges halbierte sich die Belegschaft von 240 Mitarbeitenden auf 120 aufgrund geringer Zuweisungen. Nach Kriegsende war alles geplündert und vieles zerstört, und das Vorderhaus in der Luisenstraße wurde als Kaserne genutzt. Nach Abzug der Truppen folgte die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen. Im Mai 1947 wurde das Fürsorgeheim in „Wichernheim“ umbenannt. Namenspatron Johann Hinrich Wichern (1808-1881) ist der Gründer der „Inneren Mission“, die später im Diakonischen Werk aufging.
Nach 1956 wurden die Kinder und Kriegswaisen, auch auf Druck der DDR-Regierung, in staatliche Heime abgegeben. Es folgte eine Neuausrichtung mit der Aufnahme von geistig und körperlich behinderten Kindern. Die beiden Leiter Christian Gehlsen und Hans Oberländer begannen ab 1979 mit den Umstrukturierungen zu einer Rehabilitationseinrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung beider Geschlechter. Mit vielen engagierten Mitarbeitenden gingen sie den Weg von der reinen Unterbringung von Menschen, hin zur gesellschaftlichen Teilhabe.
1997 folgte die schlimmste Katastrophe in der Geschichte der Einrichtung, als acht Frauen bei einem Feuer im Wichernheim ihr Leben verloren. Matthias Kube, der später Vorstand wird, war zunächst Krisenmanager und verantwortete den Wiederaufbau des Hauses. Außerdem richtete er die soziale Einrichtung nach neuen wirtschaftlichen und pädagogischen Erfordernissen aus.

Die Aufgabenfelder haben sich über die Jahrzehnte stetig erweitert. Heute gehört die Wichern Diakonie mit über 600 Mitarbeitenden zu den größten Arbeitgebern der Stadt. Sie ist mittlerweile unter dem Dach des Wichern Diakonie Frankfurt (Oder) e. V. sowie in Tochtergesellschaften vereint.